Auslandhilfefonds versenkt: Parlament macht sich unglaubwürdig

Das St.Galler Stadtparlament hat am Dienstag mit 28 zu 27 Stimmen den Auslandshilfefonds beerdigt. Eine längst beschlossene Motion wurde damit nach jahrelanger Vorarbeit auf den letzten Metern gekippt. Für die Fraktionen von SP/JUSO/pfg und Grüne/Junge Grüne ist das ein Tiefpunkt. Der Entscheid ist moralisch wie politisch stossend und zeugt von einer kurzsichtigen Sparhysterie.

Von Verlässlichkeit keine Spur
Im Mai 2022 wurde die Motion «1 % gegen globale Armut» mit 36 zu 21 Stimmen deutlich erheblich erklärt. Das ursprünglich vorgesehene finanzielle Volumen wurde zwar von rund 1.5 bis 3 Millionen auf jährlich 500’000.- verkleinert, aber der Grundsatz war klar: St.Gallen soll die Auslandshilfe ausbauen und dazu einen Fonds schaffen. Ein Jahr später folgte eine Rückweisung des Reglements zur Klärung letzter Details. Gestern nun der Schwenk: Mit 28 zu 27 Stimmen wurde die Vorlage gekippt. Möglich wurde das nur, weil Teile von glp und Die Mitte ihre bisherige Position verliessen. Aus einer komfortablen Mehrheit von 36:21 wurde so eine knappe Ablehnung. Als Begründung führen die Gegner*innen die Stadtfinanzen und die angebliche fehlende Zuständigkeit der Stadt an. Nur: Die Gemeindeautonomie erlaubt klar ein Engagement und die Mittel wären bei einem Stadtbudget von über 600 Millionen Franken ohne Weiteres verkraftbar. Geändert hat sich einzig der politische Wille im Rat.

«Aktuell gibt es 130 politische Konflikte in 60 verschiedenen Ländern, so viele wie nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Während Kriege, Hungersnöte und Klimakrise die globale Ungleichheit verschärfen, reden die bürgerlichen Parteien lieber von Spardruck, den wir ihrer eigenen Steuerpolitik auf allen politischen Ebenen zu verdanken haben», kritisiert Christian Huber, Fraktionspräsident Grüne/Junge Grüne. Besonders störend: Ein Parlament, das einmal getroffene Entscheide nach Belieben kippt, ist schlicht unzuverlässig. Was bleibt ist ein Scherbenhaufen und ein fahler Nachgeschmack. «Seriöse Politik sieht anders aus», so Huber.

Verantwortungslos und kurzsichtig
Der Fonds war mit jährlich 500’000 Franken, gerade einmal 0,08 Prozent des jährlichen Budgets der Stadt St.Gallen, finanziell gut eingebettet. Bereits heute hat St.Gallen mit der städtischen Auslandhilfe von rund 280’000 Franken viel bewirkt: von Mädchensekundarschulen in Tansania über Geburtshäuser im Tschad bis zu Soforthilfen nach dem katastrophalen Erdbeben in der Türkei sowie jüngst 50’000 Franken für den von Zerstörung und Hunger bedrohten Gazastreifen.

«Gerade angesichts der nochmals verschärften globalen Lage und der weltweiten Kürzung in der Entwicklungshilfe, auch der Schweiz, wäre ein stärkeres Bekenntnis notwendiger denn je. Kurzfristige politische Wahrnehmungen dürfen nicht darüber entscheiden, ob wir Verantwortung als Stadt übernehmen», sagt Christoph Kobel, Präsident der SP Stadt St.Gallen.

Kein Kompass in Zeiten globaler Krisen
Damit zeigt das Parlament nicht nur politische Kurzsichtigkeit, sondern auch einen beunruhigenden Verlust an Orientierung. Die Ablehnung des Fonds sendet das fatale Signal, dass St.Gallen seine internationale Verantwortung preisgibt, statt Solidarität zu zeigen. «Anscheinend fehlt ein politischer Kompass, gerade in einer Zeit, in der reaktionäre Kräfte weltweit Aufwind haben», so Kobel.

SP und Grüne fordern eine mutige Stadtpolitik, die zu ihren Beschlüssen steht und internationale Verantwortung wahrnimmt. Von vornherein jedes Anliegen mit dem vorgeschobenen Sparargument abzuwürgen, wird St.Gallen noch teuer zu stehen kommen – finanziell, gesellschaftlich wie politisch.

Für Rückfragen

Christoph Kobel

Christoph Kobel

Parteipräsident, Stadtparlamentarier

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