Musikschultarife: Stadtrat erweist der Chancengerechtigkeit einen Bärendienst

Der Stadtrat kündigt an, auf das Schuljahr 2021/22 die Tarife für den Besuch der Musikschule um 5 Prozent zu erhöhen. Für Kinder und Jugendliche aus finanzschwachen und Corona-gebeutelten Familien wird damit der Zugang zum Musikunterricht erschwert. Die Unterstützung durch die Sozialhilfe sieht die SP problematisch. Die SP behält sich politische Schritte vor, um den Entscheid des Stadtrates umzustossen.

Es ist die zweite Tariferhöhung in weniger als 10 Jahren. Neu kostet ein halbstündiger Instrumentalunterricht für Kinder der Volksschule beispielsweise jährlich 966 Franken statt bisher 920 Franken. Dies kündigte er am Freitag überraschend in einer einfachen Medienmitteilung an. Die Erhöhung soll demnach noch im laufenden Jahr umgesetzt werden, obwohl in der Budgetdebatte von dieser Anpassung keine Rede war. SP verlangt, dass der Stadtrat in solch gewichtigen Fragen die politische Diskussion sucht und hätte erwartet, dass zumindest das Parlament in den Prozess einbezogen wird.

Sparmassnahme trifft finanzschwache Familien

Der Stadtrat sieht die Tariferhöhung als einen Beitrag zur Bewältigung «finanzpolitischen Herausforderungen». Für die SP ist klar: fiskalische Argumente dürfen nicht der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gegenübergestellt werden. Wie bereits bei der geplanten Abschaffung der Kurse für «Kunst und Handwerk» politisiert der Stadtrat auch mit dieser Massnahme an den Interessen der Kinder und Jugendlichen vorbei. Die Erhöhung der Musikschultarife verschärft das Problem, dass der Musikunterricht nur für Kinder und Jugendliche aus privilegierten Verhältnissen erschwinglich ist. Dabei ist der Wert der Musikbildung bei der persönlichen Entwicklung unbestritten. Die angekündigte Tariferhöhung erweist der Chancengerechtigkeit in der Stadt St.Gallen einen Bärendienst und vergrössert die Schere zwischen Arm und Reich weiter.

Die SP kritisiert insbesondere die Abschaffung des Geschwister-Tarifs, der bereits bei den Tarifen der Tagesbetreuung scharf kritisiert wurde. Eine Begründung der Aussage, dieser bringe finanzschwachen Familien keine Entlastung, bleibt der Stadtrat in seiner Mitteilung schuldig.

Unterstützung durch die Sozialhilfe ist problematisch

Bei Familien in sehr bescheidenen Verhältnissen sieht der Stadtrat eine allfällige Unterstützung über die Sozialhilfe oder über den Schulfürsorgefonds vor. Für die SP ist die in der Medienmitteilung angekündigte Lösung realitätsfremd. Erstens würden die Zusatzeinnahmen an anderer Stelle wieder ausgegeben. Zweitens ist fraglich, ob Personen die Sozialhilfe aufsuchen werden nur um die Kosten für den Musikschulunterricht zu decken. Zudem ist für Personen ohne Schweizer Pass die Anspruchnahme von Sozialhilfe nach dem Ausländer- und Integrationsgesetz AIG nicht ohne Risiko. Für die SP ist es zwingend, dass diese Leistungen nicht dem Sozialhilfekonto angerechnet werden.

Gestaffelte Tarife nach Einkommen statt generelle Erhöhung

Die vom Stadtrat beschlossene Reglementsänderung ist in keiner Art und Weise sozial. Bei vielen anderen Tarifen (Tagesbetreuung, Kitas etc.) gibt es nach Einkommen gestaffelte Tarife. Solche würden auch den wegfallenden Geschwister-Rabatts zumindest für einkommensschwache Familien etwas entlasten. Dass der Stadtrat noch immer nicht erkannt hat, dass eine Stadt auch eine soziale Verpflichtung hat, ist sehr stossend. Diese Verpflichtung hat er auch gegenüber den Lehrpersonen. Führt die Tariferhöhung zu Abmeldungen, bedeutet dies auch Lohneinbussen für die Lehrpersonen, da diese pro Schüler*in entschädigt werden. Damit trifft die Sparmassnahme auch Musiker*innen, die in der aktuellen Corona-Krise bereits sehr stark unter den Folgen der Massnahmen zu leiden haben.

Die SP wird in den kommenden Wochen einen Vorstoss prüfen, der den Stadtrat zwingt, diese Sparmassnahme, die einzig auf dem Buckel der Familien erfolgt, zu überdenken.

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