Mehr Wohnraum, weniger Profit

Endlich macht der St.Galler Stadtrat beim Wohnen vorwärts: Mehr gemeinnütziger Wohnungsbau und mehr Liegenschaften in städtischem Besitz ist das Ziel der neuen Wohnraumstrategie.

Von Daniel Kehl, Fraktionspräsident SP-Juso-PFG

Lange war der St.Galler Stadtrat in der Wohnbauförderung eher passiv. Nun zeigt sich, dass er auch in wohnpolitischen Fragen aktiv und damit linker wird. SP-Baudirektorin Maria Pappa konnte ihre KollegInnen in der Stadtregierung für eine neue Wohnraumstrategie überzeugen. Die Stadt wird in Zukunft den gemeinnützigen Wohnungsbau fördern. Dazu wird sie eine aktivere Bodenpolitik betreiben, um mehr Liegenschaften im Baurecht an Genossenschaften weiterzugeben. Die Strategie sieht weiter vor, dass der stadteigene Wohnungsbestand bis 2030 um zehn Prozent steigen soll.

Panik beim HEV

Diese Politik sorgt beim stockbürgerlichen Hauseigentümerverband bereits für Panik. Das sei der «Auftakt zur Verstaatlichung des Wohnens» und führe zur «Verdrängung privater Anbieter vom Markt», jammert der HEV, als wäre er in der Zeit des Kalten Kriegs stehen geblieben. Stadträtin Maria Pappa wies diesen Vorwurf locker zurück: Die Stadt besitze ja nur etwas über ein Prozent der Wohnliegenschaften. Da könne von Kollektivierung doch keine Rede sein. Der Stress beim HEV hat einen anderen Grund: Die bürgerlichen Strategen haben nach den Wahlen realisiert, dass ihr Einfluss in der Stadtpolitik immer kleiner wird. Plötzlich funktionieren die direkten Kanäle ins Amtshaus – auch dank der SP-Magistratin – nicht mehr so wie früher.

Neu sollen nicht mehr Gewinnmaximierung und persönliche Vorteile in der städtischen Liegenschaften- und Baupolitik im Vordergrund stehen. Sondern eine Stadt- und Wohnraumentwicklung, in der es Platz hat für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die bürgerlich orientierte Ortsbürgergemeinde diese Rezepte schon seit Jahrzehnten kennt. Sie vergibt eigenes Land nur im Baurecht. So konnte Anfang der 1960er-Jahre die Wohnbaugenossenschaft des Bundespersonals günstigen Wohnraum für Familien just auf dem Land der Ortsbürger bauen.

Grosser Leistungsausweis von Maria Pappa

Baudirektorin Maria Pappa hat in ihrer ersten Legislatur neuen Wind und eine andere Mentalität in die Direktion Planung und Bau hineingebracht. Beispielhaft dafür steht das früher nicht zugängliche Burgweiher-Areal, das dank Pappas Verhandlungsgeschick aus dem Privatbesitz an die Stadt überging. Nun treffen sich dort Menschen verschiedener Herkunft und aus allen sozialen Schichten und geniessen diesen neu gewonnen Erholungsraum mitten im dicht besiedelten Quartier Lachen-Vonwil.

Durchgegriffen hat Maria Pappa auf der Liegenschaftenverwaltung der Stadt. Sie installierte dort eine neue Leiterin, die zusammen mit ihrem Team und mit Hochdruck alte Pendenzen aufarbeitete. Auch hier zielt deshalb der perfide Vorwurf des HEV ins Leere, die Stadt vernachlässige ihr Liegenschaftsportfolio. Im Amtshaus bildet eine zeitgemässe Liegenschaftenverwaltung die Basis für eine Wohnstrategie, mit der die Stadt gezielt auf die Bedürfnisse der BewohnerInnen reagieren kann. «St.Gallen gemeinsam mit den Menschen entwickeln», ist für Maria Pappa ein wichtiger Grundsatz. Bei der Neugestaltung des Marktplatzes konnte sie dank eines partizipativen Verfahrens mit allen Anspruchsgruppen eine Mehrheit der Bevölkerung vom Projekt überzeugen. An der Urne gab es dafür eine deutliche Zustimmung von über 65 Prozent.

Dieser Artikel erscheint im Links 4/2020.

 

 

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